Freitag, 12. Oktober 2012

Ein Monat Schule etwas anders, oder auch: Lehrerstreik in Peru

Ja, ihr lest richtig. Ich habe gerade einen Monat Streik hinter mir. Aber nein – nicht ich, sondern die Lehrer haben gestreikt.  In ganz Peru war nämlich „huelga nacional“, also landesweiter Streik und zwar „indefinida“, also zeitlich unbefristet. (Zur Info: Nicht nur die Lehrer haben gestreikt, sondern auch die Dozenten und die Administration an den staatlichen Universitäten und die Ärzte an staatlichen Krankenhäusern. Mein Gastonkel hat kürzlich gemeint, es fehlen nur noch die Bus- und Taxifahrer und dann wäre das Land lahmgelegt. :D)
Die Lehrergewerkschaft SUTEP protestierte damit gegen ein neues Lehrergesetz (ihrer Meinung nach sind ihre Verbesserungsborschläge nicht ausreichend in die Gesetzesvorlage der Bildungsministerin eingeflossen) und forderte eine sofortige Erhöhung der Löhne, die Beibehaltung der Vergütung der Unterrichtsvorbereitungs-Zeit und – damit verbunden – eine Erhöhung der Bildungsausgaben auf 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts außerdem z.B. noch kostenlose und hochwertige staatliche Schulen. Dazu müsst ihr wissen, dass die staatlichen Schulen hier in Peru einen sehr schlechten Ruf haben. Sie werden als sehr minderwertig angesehen und wer das Geld hat, schickt sein Kind auf eine private Schule. Aber eben nur, wer das Geld hat. Denn Privatschulen sind sehr teuer, somit bleibt den ärmeren Bevölkerungsschichten der Zugang zu guter Bildung verwehrt.
Das geplante Lehrergesetz „sieht eine Vereinheitlichung der verschiedenen Vertragsmodalitäten vor, in denen sich derzeit die Lehrerinnen und Lehrer befinden. So gibt es, je nach zum Zeitpunkt der Einstellung gültigem Recht, unterschiedliche Regelungen für Aufstieg und Bezahlung. Zudem werden – je nach angewandtem Recht – einmal nur die Dienstjahre, dann wieder spezielle Prüfungen, ein anderes Mal die Aus- oder Fortbildungen herangezogen, daneben existieren zahlreiche Mischregelungen. Durch das neue Lehrergesetz plant Bildungsministerin Patricia Salas eine Mischung, die allgemeine Gültigkeit haben soll.“ (http://www.infoamazonas.de/2012/10/01/peru-lehrergewerkschaft-sutep-seit-27-im-streik.html) Die Lehrergewerkschaft SUTEP wirft der Regierung jedoch vor, sie wolle damit nur Geld einsparen.

Begonnen hat der Streik dann am 5. September.
Und wenn die Lehrer streiken, müssen natürlich die Freiwilligen ran. :)
Natürlich haben die Schüler auch mitbekommen, dass die Lehrer streiken. Und wer geht schon zur Schule wenn die Lehrer nicht da sind? Die Antwort ist: Immerhin ein paar Kinder!
Da aber im Schnitt nur um die 15 bis 20 Kinder (von sonst über 50) gekommen sind, konnten wir keinen regulären Englischunterricht machen, also nicht groß Neues anfangen.
Es hieß also kreativ werden… Bisher gelerntes wiederholen; verschiedenste Spiele spielen; den Kindern beibringen, wie man Armbänder knüpft; Computer-Ag; Volleyball-Turniere auf dem Schulhof; Videos für unsere Partnerschule in Deutschland aufnehmen und vieles mehr.

Nebenher haben wir natürlich fleißig die Nachrichten verfolgt.
Der Streik hat sich folgendermaßen entwickelt:
Das Bildungsministerium hat den Streik für illegal erklärt und den Lehrerinnen und Lehrern mit Kündigungen gedroht.
Dennoch kam es dann Anfang Oktober zu ersten Gesprächen zwischen Gewerkschaftsvertretern und dem Bildungsministerium. Es gab wohl erste Annäherungen, jedoch erhält die Regierung ihre Drohung aufrecht.
Auch die Frage des Nachholens des verloren gegangenen Unterrichts wird besprochen, es steht die Idee im Raum, diesen im Januar (da wären normalerweise Sommerferien) nachzuholen.
Nach 27 Tagen Streik treten dann einige Lehrer in den Hungerstreik, man befürchtet eine zunehmende Radikalisierung des Streiks, die vor allem von dem radikalen Zweik der Gewerkschaft SUTEP angeführt wird.
Letztes Wochenende kam dann endlich die erhoffte Nachricht: Das Bildungsministerium hatte angekündigt, die Einkommenssituation der Lehrerinnen und Lehrer zu verbessern und der Streik wird beendet :)
„Man stehe weiter zu den Forderungen, sei aber dem Bitten von Eltern- und Schülervertretern nachgekommen, so SUTEP-Generalsekretär Renee Ramírez gegenüber dem Nachrichtensender RPP. Stärker wirkte aber wohl die Drohung des peruanischen Bildungsministeriums, das gestern angekündigt hatte, Lehrerinnen und Lehrer, die weiter streiken, für September und Oktober nicht zu bezahlen, sowie andere an ihrer Stelle einzustellen.“ (http://www.infoamazonas.de/2012/10/06/nach-einem-monat-perus-lehrer-beenden-streiks.html)
Jedoch streikt der radikale Zweig der Gewerkschaft weiter.

Am Dienstag waren dann endlich wieder alle Lehrer an der Schule. (Am Montag war Feiertag – einer von vielen hier im Land ;D)
Jetzt gilt es, den verpassten Unterricht wieder aufzuholen.
An meiner Schule sieht der Plan so aus: Es sind ca. 120 Stunden streikbedingt ausgefallen. Deshalb wird jetzt täglich zwei Stunden länger unterrichtet (wovon man bisher aber noch nichts bemerkt :D) und bis Ende Dezember wird wohl auch noch an ein paar Samstagen Unterricht stattfinden.
Damit müsste es eigentlich geschafft werden, wenn nicht, dann werden noch ein paar Tage in die eigentlichen Schulferien, also in den Monat Januar verlegt.
Ob der Plan so aufgeht wage ich zu bezweifeln, aber vamos a ver (wir werden sehen). ;)


Liebe Grüße aus Arequipa,

eure Anne

 
P.S. Noch eine kleine Geschichte zur allgemeinen Erheiterung:
Ich wurde kürzlich ich im Comedor von einem kleinen Jungen folgendes gefragt: „Señorita, en tu planeta también hay animales?“ (Señorita, gibt es auf deinem Planeten auch Tiere?) Worauf ein anderer mich ganz entgeistert gefragt hat: „Eres extraterrestre?“ (Bist du ein Außerirdischer?).
Da war die Erleichterung groß als ich lachend erklärt habe, dass ich zwar von einem anderen Kontinent, aber nicht von einem anderen Planeten komme. :)
 
Computer-AG
Die Kids sind einfach so kreativ, das ist echt bewundernswert! Hier haben sie sich aus einem Hüpfseil und einem Stück Holz eine Schaukel gebastelt.
Fußballspielen auf dem Schulhof
"Ochs am Berg"-Spielen, aber natürlich die englische Variante :D (man zählt ganz schnell auf zehn und dreht sich dann um)
Armbänder knüpfen
Seilspringen

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